Dorfpunks by Schamoni Rocko

Dorfpunks by Schamoni Rocko

Autor:Schamoni, Rocko
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Belletristik/Gegenwartsliteratur (ab 1945)
Herausgeber: Rowohlt


Ich: Eh, Alter, wie jehts, haste heute schon wat zusammenjeschnorrt?

Punk: Logisch, ick hab heute Möckernbrücke jemacht, vierzehn Mark in zwei Stunden, jetz erst ma Spätkauf und denn Kotti.

Ich: Ja klo wa, det ess jeiel.

Punk: Hä? Wat iss? Wie redest du denn?

Ich: Äh nichts, schon gut, bis später …

Wir sind doch nicht vom Dorf, Aller. Wir sind echte Berliner Punks.

Tagsüber schwärmten wir zu den publikumsreichsten U- und S-Bahnhöfen aus, um dort zu schnorren. Nach ein paar Stunden hatte man meist genug zusammen, um den Tag überleben zu können, mit allen Vorzügen, die dieser einem jungen Punk zu bieten hat. Also Spätkauf und Kotti.

Wir zogen um. In einem anderen besetzten Haus hatte man uns ein eigenes Zimmer angeboten. Der Hinterhof dieses großen Wohnhauses war einmalig, er bestand aus einer fast halbmeterhohen Schicht Scherben, Flaschen und Dosen, die ständig durch die eingeschlagenen Fenster von allen Seiten in den Hof hinunterregneten. Dort wohnten Punks. Unter paradiesischen Umständen, wie wir feststellten. Unser Zimmer bestand aus einem fast leeren Raum, in dem einzig und allein ein selbst gebauter Holzblock als Bettkasten stand. Auf diesem Holzblock lag, einsam und mit seiner Spitze formvollendet nach oben weisend, ein Haufen Scheiße. Wir bekamen eine alte Matratze und zogen neben den Haufen. In diesem Bett lagen wir tagelang. Ab und zu schnorrten wir ein bisschen, besorgten dann das Nötigste und legten uns wieder ins Bett.

Ein paar Tage nach unserem Einzug fand eine Anti-Nazi-Demo in Neukölln statt, einem Stadtteil, in dem es damals relativ viele Skins gab. Natürlich fuhren wir dorthin. Etwa dreihundert Leute standen vor einer deutschen Sportklause, in der ein NPD-Treff stattfinden sollte, Michael Kühnen sei da anwesend und so. Aber der Nazitreff fand nicht statt, die Rechten hatten längst Lunte gerochen und waren umgezogen, keiner von uns wusste, wohin. Trotzdem wurden antifaschistische Parolen skandiert. Wenn man doch schon mal zusammen war … Ich stand am Rand der Demo und sah, wie drei Skinheads aus einem U-Bahn-Schacht kamen und zielstrebig auf die Demo zugingen. Sie schienen ohne Angst und eher amüsiert über den Auflauf, marschierten breitbeinig über die Straße und stellten sich ebenfalls hinter der Demo auf. Dann fingen sie an, ganz selbstverständlich «Heil Hitler» zu brüllen und die Hand zum Führergruß zu heben. Das hätten sie nicht tun sollen. Unter den Demonstrierenden waren ein paar kernharte autonome Kampfhippies, schon etwas älter und von kräftiger, hemdsärmeliger Art. Als sie auf die drei «Deutschland!!!» krähenden Popanze aufmerksam wurden, gingen sie sofort zur Attacke über. Wie aus dem Nichts setzte es auf einmal haufenweise klatschende Ohrfeigen, die Führerfreunde erkannten verdattert ihren verhängnisvollen Fehler. Ihr taumelnder Rückzug ging in einen Fluchtspurt über, der sie – zweiter schwerer Fehler – in eine Pinte auf der anderen Straßenseite führte, wo sie sich sicher fühlten. Natürlich postierten sich die Kampfhippies vor dem Laden, und unter den Demonstrierenden machte die Kunde schnell die Runde, jetzt zu guter Letzt seien doch noch endlich ein paar Nazis eingetroffen. So setzte sich die Menge in Bewegung und trottete neugierig auf die andere Straßenseite. Die Skins in der Pinte hatten



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